Sechste Urlaubswoche für alle?
Der Europäischen Gerichtshof (EuGH) prüft gerade, ob die Urlaubsregelungen in Österreich mit dem europarechtlichen Freizügigkeitsregeln im Einklang stehen. Konkret geht es um die Bestimmung, wonach nur Arbeitsnehmer Anspruch auf sechs Urlaubswochen pro Jahr haben, die 25 Dienstjahre beim gleichen Arbeitgeber verbracht haben. Geht es nach zuständigen Generalanwalt, ist an den bestehenden Regelungen des Urlaubsgesetzes europarechtlich nicht zu rütteln und bleibt alles beim Alten.
Hintergrund
Im Ausgangsverfahren hatte der Betriebsrat einer Therme in Bad Schallerbach auf Feststellung geklagt, dass allen Beschäftigten aus EU-Staaten mit 25 Berufsjahren eine sechste Urlaubswoche zustehe. Die Voraussetzung, diese Dienstzeit bei einem Arbeitgeber (unter Anrechnung von fünf Vordienstjahren) verbringen zu müssen, diskriminiere diese Beschäftigten und beschränke sie in ihrem Freizügigkeitsrecht nach Art 45 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union). Die Feststellungsklage wurde in den ersten beiden Instanzen abgewiesen, der Oberste Gerichtshof (OGH) legte dem EuGH aber Fragen vor, ob das Urlaubsgesetz in diesem Punkt unionsrechtswidrig ist.
Die Klage des Betriebsrats stützte sich im Wesentlichen auf die Ausführungen des EuGH in der Rechtssache Salzburger Landeskrankenhäuser (SALK, EuGH 05.12.2013, C-514/12): Weil EU-BürgerInnen im Regelfall keine Dienstzeiten beim Land Salzburg erwerben, sei es mittelbar diskriminierend und beschränke die Freizügigkeit, wenn Vordienstzeiten beim Land Salzburg für die Gehaltseinstufung bevorzugt berücksichtigt würden. Umgekehrt würde es bestehende SALK-DienstnehmerInnen davon abhalten, ihre Freizügigkeit in Anspruch zu nehmen, weil sie bei ihrer Rückkehr schlechter eingestuft würden. Dieser Gedanke wurde in der Klage auf das Urlaubsrecht übertragen. EU-AusländerInnen würden benachteiligt, weil sie bei Inanspruchnahme ihrer Freizügigkeit das Kriterium von 25 Dienstjahren beim gleichen Arbeitgeber ungleich schwerer erreichen können. Österreichische ArbeitnehmerInnen würden von einem Wechsel ins Ausland abgeschreckt, weil sie bei einer Rückkehr die 25-jahres-Frist neu beginnen müssten
Der Schlussantrag des Generalanwalts
Ende Juli veröffentlichte der zuständige Generalanwalt, Henrik Saugmandsgaard Øe, seinen Schlussantrag. Darin hat sich er sich der vorgenannten Argumentation, die von einer diskriminierenden Regelung ausgeht, jedoch nicht angeschlossen. ArbeitnehmerInnen könnten nicht erwarten, dass ein beruflicher Wechsel ins EU-Ausland arbeitsrechtlich neutral wirke. Eine solche Sichtweise hätte tiefgreifende Auswirkungen für die Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten.
Letzteres ist zweifellos richtig: Würde der EuGH im bestehenden Urlaubsgesetz eine Unionsrechtswidrigkeit erkennen, wäre der erleichterte Zugang zur sechsten Urlaubswoche nicht auf EU-AusländerInnen beschränkt. Aufgrund des verfassungsrechtlichen Verbots der Inländerdiskriminierung, müsste wohl allen Beschäftigten die sechste Urlaubswoche nach 25 Berufsjahren zugestanden werden. Diese weitreichende Wirkung scheint auch für die ablehnende Stellungnahme des Generalanwalt ausschlaggebend zu sein.
Wie geht es beim EuGH weiter?
Obwohl sich der EuGH in der Mehrzahl der Fälle der Ansicht der Generalanwälte anschließt, bleibt die endgültige Entscheidung gerade in diesem Fall mit Spannung abzuwarten. Da der Versuch einer Differenzierung zwischen den im laufenden Verfahren und bei SALK in Rede stehenden Sachverhalten nicht sonderlich überzeugend ist, müsste der EuGH wohl die – noch keineswegs gefestigte – SALK-Rechtsprechung korrigieren, wenn er sich der Meinung des Generalanwalts anschließen wollte. Mit einem Urteil ist zum Jahresende zu rechnen.