Reform der Finanzmarktaufsicht
In Österreich sollte, nach jahrelangen politischen Diskussionen, das System der Finanzmarktaufsicht reformiert werden. Am 15. April 2019 veröffentlichte das Finanzministerium einen entsprechenden Begutachtungsentwurf (siehe HIER), mit dem die behördliche Aufsicht über alle Finanzmarktteilnehmer bei der FMA gebündelt werden sollten.
Nach der Begutachtung, die bis 6. Mai 2019 lief, kam es jedoch mit der Auflösung der Bundesregierung Kurz und dem Beschluss, im September 2019 Neuwahlen zum Nationalrat abzuhalten, zu einem aprubten Ende der Reform. Die Übergangsregierung Bierlein verfolgt das Projekt vorerst nicht weiter. Ob die geplanten Änderungen nach den Wahlen im September 2019 in dieser Form kommen werden, steht in den Sternen.
Dieser Beitrag gibt Ihnen einen Überblick über alle geplanten Änderungen, wobei derzeit unklar ist, ob diese so kommen werden.
Hauptgesichtspunkte der Reform
Die FMA soll zum "One-Stop-Shop" für die Bereiche Bankenaufsicht, Bankenabwicklung und Einlagensicherung gemacht werden. Dazu sollen die bisher bei der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) angesiedelten prudentiellen Aufsichtsagenden zur FMA transferiert werden. Zudem soll laut den Erläuterungen zum Begutachtungsentwurf die Governance der FMA gestärkt werden.
Die Aufgaben der makroprudenziellen und makroökonomischen Systemanalyse, der Umsetzung des aufsichtlichen Meldewesens und der Statistik sollen hingegen bei der OeNB verbleiben.
Weiters sollen Regulierung und Aufsicht stärker voneinander getrennt werden.
Ziele der Reform
Mit der Reform soll die Struktur der Finanzmarktaufsicht effizienter ausgerichtet werden. Die Verlagerung von Kompetenzen der mikroprudentiellen Aufsicht von der OeNB zur FMA soll Doppelgleisigkeiten eliminieren. Die Entscheidungsprozesse der Aufsicht sollen damit beschleunigt und vereinfacht werden.
Es sollen zudem klare Ansprechpartner für Finanzmarktteilnehmer und EU-Institutionen festgelegt und die Serviceorientierung gestärkt werden.
Künftige Kompetenzen der FMA
Nach dem Gesetzesentwurf sollte die gesamte behördliche Aufsicht über den Finanzmarkt bei der FMA konzentriert werden. Dazu sollten die derzeitigen Aufgaben der OeNB, allen voran die Durchführung von Vor-Ort-Prüfungen und mikroprudentiellen Analysen bezüglich aller Finanzmarktteilnehmer, auf die FMA übertragen werden.
Das gilt auch für die Aufsicht über Einlagensicherungssysteme und die Anlegerentschädigung sowie den Bereich der Bankensanierung und -abwicklung.
Die Übertragung von Aufgaben von der OeNB zur FMA hat zur Folge, dass ca. 180 Mitarbeiter per 1. Jänner 2020 von der OeNB an die FMA übertragen werden. Die meisten betroffenen OeNB-Mitarbeiter sollen FMA-Dienstverträge bekommen, aber zunächst unter Wahrung ihrer bestehenden Rechte und Pflichten. Freiwillige Sozialleistungen der OeNB sollen mit der Zeit abgeschmolzen werden. Eine Handvoll OeNB-Mitarbeiter, deren Arbeitsverträge vor dem 1. Mai 1998 abgeschlossen wurden, sollen hingegen ihre Verträge behalten und der FMA nur leihweise überlassen werden.
Die FMA als integrierte Finanzmarktaufsichtsbehörde ist künftig für folgende Aufgaben zuständig:
- umfassende behördliche Aufsicht über Banken, Versicherungen, Pensionskassen, betriebliche Vorsorgekassen, Finanzkonglomerate, Asset Manager und sonstige konzessionierte und regulierte Finanzintermediäre und Produktanbieter, einschließlich der damit verbundenen (Vor-Ort-) Prüfungsaktivitäten und Einzelanalysen,
- die Wohlverhaltensaufsicht über den Kapitalmarkt, Intermediäre und Emittenten,
- den kollektiven Schutz der Anleger, Sparer, Investoren und Versicherten,
- die Wahrnehmung der Funktion als makroprudentielle Behörde, jedoch weiterhin in Zusammenarbeit mit der für die makroprudentielle Aufsicht und Analyse zuständigen OeNB und dem Finanzmarktstabilitätsgremium,
- die Behördenfunktion bei der Abwicklung von Banken einschließlich der damit verbundenen Vor-Ort-Prüfungsaktivitäten und Einzelanalysen,
- die Behördenfunktion bei der Beaufsichtigung von Finanzmarktinfrastrukturen,
- die Vertretung Österreichs in den europäischen und internationalen Institutionen im Bereich der Finanzmarktaufsicht als nationale zuständige Behörde.
Anpassungen der FMA Governance-Struktur
Der Vorstand der FMA wird von zwei Mitgliedern auf einen Alleinvorstand reduziert. Dazu soll das derzeit bestehende Vorstandsmitglied, das von der OeNB nominiert wurde, per 31. Dezember 2019 vom Finanzminister abberufen werden, was viel Kritik ausgelöst hat.
Dem verbleibenden Vorstandsmitglied der FMA sollen künftig drei Exekutivdirektoren zur Seite gestellt werden. Sie sollen dem FMA-Vorstand unmittelbar nachgeordnet sein. Die fachlichen Aufgabenbereiche der Exekutivdirektoren sind aus dem Gesetzesentwurf nicht klar ersichtlich. Es wird lediglich festgehalten, dass die Aufgaben dieser Direktoren in der FMA-Geschäftsordnung festzulegen sind.
Der Aufsichtsrat der FMA wird von zehn auf sechs Mitglieder verschlankt. Zwei der vom Finanzminister auszuwählenden Aufsichtsratsmitglieder müssen zudem unabhängig sein. Das bisherige Recht der WKO, zwei Mitglieder des Aufsichtsrates ohne Stimmrecht zur Kooptierung namhaft zu machen, entfällt.
Bei der FMA wird zudem ein Fachbeirat eingerichtet, der die FMA über Angelegenheiten der Finanzmärkte beraten soll. Er soll sich aus Experten der OeNB, der fachlich betroffenen Ministerien sowie Vertretern der Wirtschaft zusammensetzen.
Verbleibende Kompetenzen der OeNB
In der OeNB verbleibt weitgehend ihre bisherige Kompetenz zur Überwachung der Finanzmarktstabilität, sprich die makroprudentielle bzw. makroökonomische Analyse.
Die OeNB verliert jedoch ihr bisheriges Recht, diesbezügliche Vor-Ort-Prüfungen durchzuführen. Künftig soll die OeNB die FMA nur mit der Durchführung von Vor-Ort-Prüfungen beauftragen können, wenn dies aus Gründen der Finanzmarktstabilität, aus makroökonomischen Gründen oder im Krisenfall notwendig ist.
Die OeNB soll weiterhin alle Umstände und Entwicklungen, die für die Finanzmarktstabilität relevant sind, beobachten und analysieren und den Bundesminister für Finanzen und die FMA hierüber informieren.
Ergänzend soll die OeNB künftig auch einen erweiterten Fokus auf die Weiterentwicklung des österreichischen Finanzmarktes aus dem Blickwinkel des Gesamtsystems entwickeln. Neue Trends und Risiken und internationale „best practises“ sollen frühzeitig erkannt und ihre möglichen Auswirkungen auf das österreichische Finanzsystem evaluiert werden.
Schließlich soll die OeNB künftig verstärkt zur Finanzbildung in Österreich beitragen. Sie muss dem Finanzminister dazu jährlich einen Bericht über wesentliche Erkenntnisse zum Stand der Finanzbildung in Österreich übermitteln.
Die bestehenden Kompetenzen der OeNB im Bereich Statistik, aufsichtliches Meldewesen und Zahlungssystemaufsicht sowie der Prüfung und Analyse von Finanzmarktinfrastrukturen sollen nicht geschmälert werden.
Künftige Zusammenarbeit zwischen FMA und OeNB
Zur Schnittstellenreduktion und Informationsoptimierung sollen die OeNB und die FMA Meldedaten, Statistikinformationen sowie alle sonstigen für die Aufsicht notwendigen Daten und Informationen in geeigneter und effizienter Weise untereinander austauschen. Die FMA hat mit der OeNB eine bilaterale Vereinbarung („Memorandum of Understanding“) zu schließen, die zu veröffentlichen ist und die die konkreten Details der Zusammenarbeit, des Informationsflusses und der Bereitstellung von Ressourcen zur Erfüllung der jeweiligen Kompetenzen festlegen soll.
Zur Sicherstellung der effektiven Zusammenarbeit in Krisenzeiten wurden im Entwurf darüber hinausgehende gegenseitige Informationspflichten vorgesehen.
Künftige Tragung der Aufsichtskosten
Die Umstrukturierung soll zu keiner erhöhten Kostenbelastung für die beaufsichtigten Unternehmen führen.
Deshalb sollen die bisher direkt angefallenen Aufsichtskosten für die von der OeNB wahrgenommenn Aufgaben, die der Bund als Alleinaktionär der OeNB trägt, künftig der FMA direkt vom Bund refundiert werden. Dabei soll es sich um einen jährlichen Kostenbeitrag in der Höhe von EUR 35 Millionen handeln. Gleichzeitig soll die Quote der von der OeNB an den Bund auszuschüttenden Dividende von 90 auf 95 Prozent erhöht werden.
Stärkere Trennung von Aufsicht und Regulierung
Laut Begutachtungsentwurf sollen mit der Reform auch Regulierung und Aufsicht stärker voneinander getrennt werden. Die FMA soll sich auf ihre Kernaufgaben fokussieren, die Regulierung soll vermehrt im Finanzministerium stattfinden.
Auch die Rechts- und Fachaufsicht des Finanzministeriums über die FMA soll gestärkt werden.
Dazu soll die für Regulierung des Finanzmarktes zuständige Sektion III im Finanzministerium mit mehr Ressourcen ausgestattet werden. Konkret sollen 3 neue Abteilungen mit insgesamt 30 neuen Planstellen geschaffen werden.
Zeitplan der Reform der Finanzmarktaufsicht
Ursprünglich sollte die Aufsichtsreform bis Sommer 2019 im Parlament beschlossen werden. Die praktische Umsetzung sollte dann im Herbst 2019 vollzogen werden und die Aufsichtsreform schließlich am 1. Jänner 2020 in Kraft treten.
Mit der Auflösung der Bundesregierung Kurz und dem Beschluss, im September 2019 Neuwahlen zum Nationalrat abzuhalten, kam es im Mai 2019 jedoch zu einem aprubten Ende der Reform. Die Übergangsregierung Bierlein verfolgt das Projekt vorerst nicht weiter. Ob die geplanten Änderungen nach den Wahlen im September 2019 in dieser Form kommen werden, steht in den Sternen.