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"Beraten statt Strafen" und weitere Neuerungen im Verwaltungsstrafrecht

Am 11. Juli 2018 hat der Nationalrat ein umfangreiches Gesetzespaket (hier der Link dazu) beschlossen, das Verwaltungsstrafverfahren effizienter, transparenter und bürgernäher gestalten soll. Positiv hervorzuheben sind vor allem der neue Ansatz „Beraten statt strafen“ und die Stärkung der Unschuldsvermutung. Die Neuerungen treten am 1.1.2019 in Kraft.

In diesem Beitrag fassen wir für Sie die Änderungen kompakt zusammen.

Beraten statt strafen

Der neue § 33a Verwaltungsstrafgesetz (VStG) soll den Grundsatz „Beraten statt strafen“ in allgemeiner Form verwirklichen. Das bedeutet, dass bei weniger gravierenden Übertretungen Abmahnungen und Belehrungen künftig Vorrang vor einer Verwaltungsstrafe haben sollen. Voraussetzung ist, dass die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes ebenso wie die Intensität seiner Beeinträchtigung und das Verschulden des Beschuldigten als gering einzustufen sind. Zudem darf die Übertretung keine nachteiligen Auswirkungen auf Personen oder Sachgüter bewirkt haben bzw. dürfen solche Auswirkungen auch nicht zu erwarten sein.

In folgenden Fällen kommt der Beratungsvorrang jedoch nicht zur Anwendung:

  • es handelt sich um ein Vorsatzdelikt;
  • der Verstoß war bereits innerhalb der letzten drei Jahre Gegenstand einer Beratung;
  • die Übertretung gibt Anlass zu einstweiligen Zwangs- und Sicherungsmaßnahmen gibt; oder
  • die Verwaltungsvorschriften sehen für die Übertretung den Entzug von Berechtigungen vor.

Sind die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt, ist die Behörde verpflichtet, den Beschuldigten zu beraten und schriftlich zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes aufzufordern. Beratung ist aber nicht im Sinne einer umfassenden Rechtsberatung zu verstehen. Die Behörde hat den Beschuldigten lediglich darauf hinzuweisen, dass er eine Verwaltungsübertretung begeht und ihm mitzuteilen, wie er das rechtswidrige Verhalten einstellen kann. Wenn der Beschuldigte der schriftlichen Aufforderung entspricht, ist die weitere Verfolgung wegen der vorgeworfenen Übertretung unzulässig.

In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass die Beratung eine sogenannte Verfolgungshandlung darstellt. Dies wirkt sich insbesondere auf die Verfolgungsverjährung aus, wonach die Verfolgung einer Person unzulässig ist, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung gesetzt wurde.

Es bleibt abzuwarten, wie die Praxis den Beratungsvorrang konkret umsetzen wird. Auch wenn der Anwendungsbereich sehr weit ist (infrage kommen Geschwindigkeitsüberschreitungen genauso wie unternehmerisches Fehlverhalten), wird sich der Beratungsvorrang insbesondere auf Dauerdelikte beziehen, bei denen die Tat noch nicht abgeschlossen ist. Damit sind vorrangig die zahlreichen Verwaltungsstrafbestimmungen im Finanzbereich und im Datenschutzbereich angesprochen.

Stärkung der Unschuldsvermutung

Eine weitere Verbesserung für Unternehmen, vor allem auch für Kredit- und Finanzinstitute, bezieht sich auf die derzeit bestehende Verschuldensvermutung gemäß § 5 VStG. Danach ist bei Fährlässigkeitsdelikten das Verschulden „ohne weiteres anzunehmen“. Diese Vermutung soll künftig nicht gelten, wenn die Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von über EUR 50.000,-- bedroht ist. Gemäß den Erläuterungen ist bei derart hohen Strafdrohungen ein Verschulden nicht ohne weiteres anzunehmen.

Ebenso erfreulich ist, dass der Gesetzgeber mit der Änderung des § 5 VStG auch der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum Vorliegen eines „Internen Kontrollsystems“ entgegenwirkt. Ein Verschulden soll künftig nicht anzunehmen sein, wenn der Verantwortliche nachweist, dass er eine qualitätsgesicherte Organisation eingerichtet hat. Diese muss durch externe Prüfung oder interne Überwachung regelmäßig kontrolliert werden. Diese Anforderungen werden dadurch erfüllt, dass ein verlässlicher und geschulter Mitarbeiter mit einer entsprechenden Kontrollaufgabe betraut wird. Die Sicherstellung des Vier-Augen-Prinzips und regelmäßige Stichproben stellen weitere geeignete Maßnahmen zur Sicherstellung der Einhaltung von Verwaltungsvorschriften dar. In diesen Fällen ist eine Strafbarkeit als verantwortliches Organ gemäß § 9 Abs 1 VStG ausgeschlossen, da die juristische Person ausreichende Vorkehrungen zur Verhinderung von Verstößen getroffen hat.

Zu erwähnen ist, dass sich diese Verbesserungen für Unternehmen auch auf bereits laufende Verwaltungsstrafverfahren in erster Instanz oder in Rechtsmittelinstanzen, die nicht bis Ende 2018 abgeschlossen sind, noch positiv auswirken können. Die für Beschuldigte günstigere Rechtslage ist nämlich amtswegig wahrzunehmen. Es ist daher zu empfehlen, diese Änderungen in entsprechenden Verfahren noch geltend zu machen.

Wie können wir Ihnen helfen?

Eine unserer Kernexpertisen ist die umfassende Beratung von Kredit- und Zahlungsinstituten, Wertpapierfirmen, Versicherungen und Pensionskassen in Verwaltungsstrafverfahren. Dabei hat sich gezeigt, dass eine fundierte rechtliche Begleitung bereits im Vorfeld eines möglichen Ermittlungsverfahrens erfolgen sollte, um vorgeworfene Pflichtverstöße frühzeitig entkräften zu können. Wenn Sie Fragen zur Umsetzung der Novellierung des VStG haben, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

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