Neffentrick und Haftung nach ZaDiG
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat kürzlich einen Fall zum Phänomen "Neffentrick" entschieden, den wir Ihnen heute näher bringen wollen (OGH 9 Ob 32/18y). Dabei lockte eine „falsche Cousine“ einer Frau im Zusammenhang mit einem Geldtransfer über eine Bank telefonisch EUR 2.500,- heraus.
Die Geschädigte klagte dann ihre Bank auf Erstattung des überwiesenen Betrags. Sie begründete ihr Begehren damit, dass die Identitätsausweise, die die „falsche Cousine“ der Korrespondenzbank vorlegte, um den überwiesenen Betrag zu erhalten, nicht ausreichend kontrolliert wurden. Der OGH teilte diese Ansicht. Die Bank haftet für die fehlerhafte Ausführung der Zahlung.
Nachdem die Klägerin aber auch selbst Sorgfaltsvorschriften verletzt und die so genannte Money Transfer Control Number (MTCN)-Nummer an eine Unbekannte weitergegeben hat, trifft sie ein Mitverschulden. Die Klägerin hätte sich vor Weitergabe der MTCN-Nummer vergewissern müssen, ob es sich um ihre Cousine handelt.
Insgesamt erachtete der OGH daher eine Schadensteilung nach gleichen Teilen zwischen Kundin und Bank für angemessen.
Die wichtigsten Aussagen des OGH
Der Fall wurde anhand der alten Rechtslage (Zahlungsdienstegesetz) und nicht anhand des Zahlungsdienstegesetzes 2018 (ZaDiG 2018) geprüft, weil er sich vor 2018 ereignete und das ZaDiG 2018 nicht rückwirkend anzuwenden ist.
Die Einordnung der MTCN-Nummer als Kundenidentifikator im Sinne des § 3 Z 19 ZaDiG oder als personalisiertes Sicherheitsmerkmal im Sinne des § 36 Abs 1 ZaDiG war für den OGH im vorliegenden Fall nicht relevant.
Der OGH hat entschieden, dass es sich bei der Haftung des Zahlungsdienstleisters für nicht erfolgte oder fehlerhafte Ausführung nach § 46 Abs. 1 ZaDiG aF um einen Schadenersatzanspruch handelt. Daher ist es auch möglich, ein allfälliges Mitverschulden des Zahlungsdienstnutzers wegen Verletzung seiner Sorgfaltspflichten nach § 36 Abs 1 ZaDiG aF zu berücksichtigen.
Dies ist geboten, weil im Fall der Haftung des Zahlungsdienstleister für Zahlungsvorgänge, die vom Zahler nicht autorisiert waren, eine Schadenteilung fallweise zu berücksichtigen ist. Außerdem verweist § 46 ZaDiG aF auf die Sorgfaltspflichten gemäß § 36 Abs. 1 ZaDiG aF. Damit wurde auch der Meinung in der Literatur eine Absage erteilt, wonach der Ersatzanspruch gemäß § 46 ZaDiG aF lediglich ein Bereicherungsanspruch sei, bei welchem ein Mitverschulden des Nutzers nicht zu beachten ist.
Ist die Entscheidung auch für das ZaDiG 2018 relevant?
Für die Zukunft stellt sich die Frage, ob diese Judikatur vom OGH auch im Rahmen des ZaDiG 2018 aufrechterhalten werden kann. Davon ist unseres Erachtens aus folgenden Gründen auszugehen:
- Das vom OGH herangezogene Argument, wonach auch bei Zahlungsvorgängen, die vom Zahler nicht autorisiert waren, Mitverschulden des Zahlungsdienstnutzers zu berücksichtigen ist, gilt jedenfalls weiterhin. Der österreichische Gesetzgeber hat vom Wahlrecht Gebrauch gemacht und die Schadensteilung bei Mitverschulden (von nicht autorisierten Zahlungsvorgängen) in § 68 Abs. 4 ZaDiG 2018 geregelt.
- Dass die Verweise auf die Bestimmungen zu den weiteren Haftungsbestimmungen in § 80 ZaDiG 2018 nicht mehr explizit aufgezählt werden, ist nur ein scheinbarer Widerspruch. Mit den Materialien zum ZaDiG 2018 ist dieser Widerspruch jedenfalls rasch aufzulösen. In diesen wird klargestellt, dass anders als in der PSD2 keine Notwendigkeit gesehen wurde auf die allgemeinen Haftungsbestimmungen zu verweisen. Die Anwendung der allgemeinen Haftungsbestimmungen ergibt sich nämlich bereits aus den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsanwendung.
Immer Schadensteilung zwischen Bank und Geschädigtem?
Den Neffentrick gibt es in den unterschiedlichsten Varianten. Im vorliegenden Fall wurde ein Bargeldtransfer veranlasst, wobei der Code (MTCN-Nummer) dem Betrüger von der Geschädigten bekanntgegeben wurde. Folglich war auch das ZaDiG anzuwenden. Es gibt aber auch Fälle, in denen die Betrüger zum Betrugsopfer nach Hause kommen, um das Geld „abzuholen“. In diesen Fällen spielen die Haftungsregelungen des ZaDiG natürlich keine Rolle.
In Fällen des Neffentricks, bei denen das ZaDiG anzuwenden ist, sind aber auch Konstellationen denkbar, bei denen die Bank kein Verschulden trifft. Dies muss immer anhand des konkreten Einzelfalls beurteilt werden.
Gerne stehen wir Ihnen bei Fragen dazu zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns einfach.