Neue Verbraucherkreditrichtlinie: Revolution für Verbraucherkredite?

Am 20. November 2025 endet die Umsetzungsfrist für die neue Verbraucherkreditrichtlinie (EU) 2023/2225, die ihre Vorgängerrichtlinie 2008/48/EG (Verbraucherkreditrichtlinie 2008) – in Österreich im Verbraucherkreditgesetz implementiert – ersetzt.
Das nahende Ende der Umsetzungsfrist ist der perfekte Anlass, die kommenden rechtlichen Herausforderungen für Kreditgeber im Verbraucherbereich näher zu beleuchten. Denn obwohl die neuen Regelungen erst ab dem 20. November 2026 gelten werden und einiges bereits aus der Vorgängerrichtlinie bekannt ist, steckt der Teufel im Detail.
Verbraucherkreditgeber sollten sich daher frühzeitig mit dem neuen Regelwerk auseinandersetzen, um ihre Vergabepraxis iZm Verbraucherkrediten rechtzeitig anpassen zu können.
Hier erfahren Sie alles über wichtige Neuerungen in kompakter Form:
Erweiterter Anwendungsbereich: Kleinkredite und Buy-now-pay-later-Modelle im Fokus
Im Vergleich zur Vorgängerrichtlinie wird mit der Verbraucherkreditrichtlinie 2023 der Anwendungsbereich erheblich erweitert.
Hinzuweisen ist hier va auf die Streichung der Untergrenze von EUR 200, sodass künftig auch sog „Klein- oder Bagetellkredite“ erfasst sind. Darüber hinaus wird auch die Obergrenze auf EUR 100.000 (bisher: EUR 75.000) angehoben. Eine Änderung wird damit in Österreich aber wohl nicht einhergehen. Der heimische Gesetzgeber hat sich bereits im Zuge der Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie 2008 dazu entschieden, von seinem – auch künftig bestehenden – Spielraum Gebrauch zu machen und national keine Obergrenze vorgesehen. Wir gehen daher nicht davon aus, dass der österr Gesetzgeber von seiner (verbraucherfreundlichen) Linie abweichen und künftig festlegen wird, dass Verbraucherkredite mit einem Gesamtkreditbetrag von mehr als EUR 100.000 vom Anwendungsbereich ausgenommen sind.
Weiters wurden auch die Ausnahme für zins- und gebührenfreie (dh unentgeltliche) Kreditverträge sowie für jene, die binnen drei Monaten zurückzuzahlen sind und bei denen nur geringe Kosten anfallen, gestrichen. Die Mitgliedstaaten steht es aber offen, für diese sowie Kleinkredite gewisse Erleichterungen vorzusehen (zB hinsichtlich der vorvertraglichen Informationspflichten). Es bleibt abzuwarten, ob Österreich diese Erleichterung umsetzt.
Mit Spannung warten wir auch darauf, ob der österreichische Gesetzgeber von der Option Gebrauch macht, das Kreditkartengeschäft vom Anwendungsbereich des verschärften Verbraucherkreditrechts auszunehmen. Denn künftig fallen grundsätzlich auch Kreditverträge in Form von Debitkarten mit Zahlungsaufschub, worunter auf dem Markt gängige Kreditkarten zu verstehen sind, unter die neuen Regelungen. Optional können die Mitgliedstaaten Kreditkarten ausnehmen,
- die von einem Kredit- oder Zahlungsinstitut bereitgestellt werden,
- nach denen der Kredit binnen 40 Tagen zurückzuzahlen ist und
- die zinsfrei sind und bei denen nur geringe Gebühren für die Erbringung der Zahlungsdienstleistung anfallen.
Von wesentlicher Bedeutung ist auch, dass – va im Online-Handel verbreitete – „Jetzt kaufen, später bezahlen“-Modelle („buy now, pay later“), bei welchen der Kreditvertrag (Zahlungsaufschub) ausschließlich dem Erwerb von Waren und Dienstleistungen dient, unter die Verbraucherkreditrichtlinie 2023 fallen. Die Richtlinie sieht unter gewissen Voraussetzungen jedoch Ausnahmen für die genannten Modelle vor, die aus Sicht des Rechtsanwenders leider recht komplex sind. So sind Zahlungsaufschübe, die ausschließlich dem Erwerb von Waren oder Dienstleistungen dienen, ausgenommen, wenn
- der Warenlieferant oder Dienstleistungserbringer ein KMU ist oder ein großes Unternehmen, das – vereinfacht gesagt – offline tätig wird, und selbst dem Verbraucher einen Zahlungsaufschub einräumt,
- der Kaufpreis zins- und gebührenfrei zu zahlen ist – mit lediglich begrenzten Kosten, die vom Verbraucher bei Zahlungsverzug im Einklang mit dem nationalen Recht zu zahlen sind, und
- die Zahlung innerhalb von 50 Tagen zu leisten ist.
Handelt es sich beim Warenlieferant oder Dienstleistungserbringer hingegen um ein großes Unternehmen und ist dieses – vereinfacht gesagt – online tätig (zB Online-Warenverkauf), gelten Zahlungsaufschübe nur dann als ausgenommen, wenn
- ein Dritter weder einen Kredit anbietet noch einen Zahlungsanspruch erwirbt,
- die Zahlung vollständig binnen 14 Tagen nach der Lieferung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen zu leisten ist, und
- der Kaufpreis zins- und gebührenfrei zu zahlen ist (mit lediglich begrenzten Kosten im Falle des Zahlungsverzugs).
Die neuen Bestimmungen betreffen daher nicht nur „klassische“ Kreditgeber wie Banken, sondern auch Handelsunternehmen. Rechnungs- und Ratenkäufe mit Laufzeiten von teils mehreren Monaten, wie sie derzeit va von großen Online-Händlern angeboten werden, werden damit rechtlich komplexer und erfordern erhöhte Compliance-Anstrengungen.
Schwarmfinanzierungen unterliegen ebenfalls den Bestimmungen der Verbraucherkreditrichtlinie 2023, wenn Anbieter von Schwarmfinanzierungs-Kreditdienstleistungen direkt Kredite an Verbraucher vergeben oder wenn solche Anbieter die Gewährung von Krediten zwischen Kreditgebern und Verbrauchern erleichtern.
Kreditwürdigkeitsprüfung: Mehr Verantwortung, mehr Pflichten
Ein weiterer Hauptpunkt der kommenden Neuerungen ist jener der Kreditwürdigkeitsprüfung, die verschärft wird. Dies mit dem Ziel, unverantwortliche Kreditvergaben und Überschuldung von Verbrauchern zu vermeiden.
Kreditgeber müssen demnach künftig – nach dem Vorbild der Wohnimmobilienkreditrichtlinie 2014/17/EU (WIKrRL) – eine eingehende Kreditwürdigkeitsprüfung vornehmen. Das Prüfverfahren ist vorweg festzulegen und entsprechend zu dokumentieren. Die Prüfung hat auf Grundlage einschlägiger und genauer Informationen über Einkommen und Ausgaben des Verbrauchers sowie andere finanzielle und wirtschaftliche Umstände zu erfolgen, die erforderlich sind und in einem angemessenen Verhältnis zu Art, Laufzeit, Höhe und Risiken des Kredits für den Verbraucher stehen. Zu diesen Informationen können Belege über Einkommen oder andere Quellen für die Rückzahlung, Informationen über Vermögenswerte und Verbindlichkeiten oder Informationen über andere finanzielle Verpflichtungen zählen. Die Informationen sind aus einschlägigen internen oder externen Quellen, einschließlich des Verbrauchers, und erforderlichenfalls durch Abfrage einer Datenbank einzuholen. Wie bereits derzeit iZm Wohnimmobilienkrediten erforderlich, sind die eingeholten Informationen vom Kreditgeber in angemessener Weise zu überprüfen. Zudem statuiert die Verbraucherkreditrichtlinie 2023 hinsichtlich der Informationen, anhand derer die Kreditwürdigkeitsprüfung vorzunehmen ist, eine Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht.
Sollte die Kreditwürdigkeitsprüfung unter Einsatz automatisierter Datenverarbeitung erfolgen, kann der Verbraucher künftig vom Kreditgeber verlangen, dass eine natürliche Person aufseiten des Kreditgebers eingreift und die Kreditentscheidung überprüft. Unter Berücksichtigung der Erwägungsgründe werden wohl auch KI-System erfasst sein, die zur Kreditpunktebewertung oder zur Bewertung der Kreditwürdigkeit natürlicher Personen verwendet werden. Vor dem Hintergrund, dass Kreditentscheidungen in der Praxis oftmals automatisiert unter Rückgriff auf interne und externe „Scorings“ getroffen werden, kann dies einen nicht unerheblichen Mehraufwand erzeugen. Kreditgeber werden zumindest eine qualifizierte Person bereitstellen müssen, die die getroffene Kreditentscheidung „manuell“ überprüft, sofern der Verbraucher dies verlangt. Auch wenn dies aus dem Richtlinientext nicht ausdrücklich hervorgeht, ist wohl davon auszugehen, dass der Verbraucher eine Überprüfung nur dann verlangen kann, wenn die Bonitätsprüfung negativ ausfällt und der Kreditantrag daher initial abgelehnt wurde.
Eine wesentliche Verschärfung sieht die Verbraucherkreditrichtlinie 2023 für den Fall vor, dass aus der Kreditwürdigkeitsprüfung nicht hervorgeht, dass es wahrscheinlich ist, dass die Verpflichtungen aus dem Kreditvertrag in der nach diesem Vertrag vorgeschriebenen Weise erfüllt werden. Eine negative Bonitätsbeurteilung löst keine Warnpflicht des Kreditgebers mehr aus, sondern führt dazu, dass der Kredit nicht gewährt werden darf (Abschlussverbot).
Widerrufsrecht: „Ewiger Widerruf“ nur im Ausnahmefall
Die Verbraucherkreditrichtlinie 2023 ermöglicht es Verbrauchern, binnen 14 Tagen ab Vertragsabschluss vom Kreditvertrag zurückzutreten. Die Regelungen zum Widerruf entsprechen dabei weitgehend jenen der Verbraucherkreditrichtlinie 2008. In diesem Zusammenhang ist jedoch nochmals auf den erweiterten sachlichen Anwendungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie 2023 hinzuweisen, welcher in der Praxis auch zu einer deutlich weiteren Anwendung des Widerrufsrechts führt.
Neu ist die Regelung, wonach das Widerrufsrecht nach 12 Monaten und 14 Tagen erlischt, wenn der Verbraucher die nach der Richtlinie erforderlichen Vertragsbedingungen und Informationen nicht erhalten hat. Hierbei ist aber Vorsicht geboten, denn diese Erleichterung greift nicht, wenn der Verbraucher nicht über sein Widerrufsrecht belehrt wurde. In diesem Fall bleibt der „ewige Widerruf“, ein potenzielles Risiko, insbesondere für Kreditgeber, die nicht erkennen, dass der Kreditvertrag den Regelungen der Verbraucherkreditrichtlinie 2023 bzw dem kommenden Umsetzungsgesetz unterliegt.
Werbung: Warnhinweis und neue Standards
Bezüglich Werbung für Verbraucherkredite bringt die Verbraucherkreditrichtlinie 2023 ebenfalls spürbare Änderungen mit sich. Künftig müssen Kreditgeber in ihrer Werbung bestimmte Standardinformationen verpflichtend erteilen – und zwar in klarer, prägnanter und auffallender Art und Weise anhand eines repräsentativen Beispiels. Dabei ist auch zu beachten, dass die Darstellung den technischen Einschränkungen bestimmter Medien (zB Smartphone-Bildschirm) anzupassen ist.
Neu ist zudem, dass Kreditgeber eine Warnpflicht trifft. Demnach muss Werbung für Kreditverträge künftig einen klaren und auffallenden Warnhinweis enthalten, um Verbraucher darauf aufmerksam zu machen, dass Kreditaufnahme Geld kostet. Vorgeschlagen wird im Richtlinientext hierfür die Formulierung „Achtung! Kreditaufnahme kostet Geld.“, wobei auch eine gleichwertige Formulierung verwendet werden kann.
Darüber hinaus schränkt die Verbraucherkreditrichtlinie 2023 die inhaltliche Gestaltung von Kreditwerbung ein. Unzulässig ist Werbung für Kreditprodukte, in der
- Verbraucher zur Kreditaufnahme ermutigt werden, indem suggeriert wird, ein Kredit würde ihre finanzielle Situation verbessern;
- angegeben wird, dass laufende Kreditverträge oder in Datenbanken eingetragene Kredite geringen oder keinen Einfluss auf die Bewertung eines Kreditantrags hätten; oder
- fälschlicherweise suggeriert wird, dass ein Kredit die Finanzmittel erhöhen, einen Ersatz für Ersparnisse darstellen oder den Lebensstandard eines Verbrauchers anheben würde.
Fazit: Viel Bekanntes, aber auch viel Neues
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der europäische Gesetzgeber mit der Verbraucherkreditrichtlinie 2023 die Zügel im Bereich der Verbraucherkredite spürbar anzieht. Der erweiterte Anwendungsbereich, strengere Prüfpflichten und neue Vorgaben für Werbung und Information machen deutlich, dass Verbraucher besser geschützt und riskante Kreditvergaben verhindert werden sollen. Auch wenn einige Regelungsbereiche bereits aus den Vorgängerrichtlinie und der WIKrRL bekannt sind, besteht dennoch ein nicht zu unterschätzender Handlungsbedarf für Kreditinstitute.
Auch Händler und Dienstleister, va große Online-Händler, müssen sich Gedanken machen, ob ihre bestehenden Finanzierungsoptionen für Verbraucher künftig regulatorischen Vorgaben unterliegen. Gegebenenfalls müssen sie ihre Angebote anpassen.
Es ist daher empfehlenswert, nun den nationalen Gesetzgebungsprozess genau zu verfolgen, um rechtzeitig entsprechende Anpassungen im Unternehmen vornehmen zu können.
Wie können wir Ihnen helfen?
Mit unserem umfassenden Know-how im regulatorischen Risikomanagement unterstützen wir Sie gerne bei der frühzeitigen Vorbereitung auf die neuen Anforderungen iZm Verbraucherkrediten, insbesondere bei der Ausgestaltung und Prüfung
- von Kredit- und Werbeunterlagen im Hinblick auf die erweiterten Informationspflichten und Werbebeschränkungen,
- bestehender sowie geplanter Finanzierungsinstrumente für Verbraucher, einschließlich Buy-Now-Pay-Later-Modelle,
- interner Prozesse und Produktdokumentationen zur Sicherstellung der neuen Vorgaben zur Kreditwürdigkeitsprüfung, oder
- der Gestaltung und Anpassung von Verträgen und AGB, um rechtliche Risiken zu minimieren.